Seit jeher ist die Kleidung, die wir tragen, ein Symbol für den sozialen Status. Sie gilt als eine Art „Visitenkarte“ einer Person und kann die Meinung anderer über uns beeinflussen ebenso wie das Verhalten uns gegenüber. Verschiedene sozialpsychologische Studien haben den starken symbolischen Wert von Kleidung und ihren Einfluss auf soziale Beziehungen nachgewiesen.
Eine 2011 veröffentlichte Studie(1) zeigte anhand verschiedener Experimente, dass Menschen, die Designerkleidung tragen, im Allgemeinen leichter die Unterstützung anderer erhalten, mit mehr Respekt behandelt werden und tendenziell ein höheres Gehalt haben als diejenigen, die sich schlichter kleiden. Eine andere Untersuchung(2) hat gezeigt, dass die Wahl maßgeschneiderter Kleidung das Urteil anderer positiv beeinflusst. Die Forscher zeigten mehr als 300 Teilnehmern beiderlei Geschlechts Fotos von Männern, die maßgeschneiderte Anzüge trugen, und Fotos von Männern, die Kleidung derselben Farbe und desselben Stils trugen, die jedoch in einem Geschäft gekauft wurden. Die Gesichter waren dabei ausgeblendet, um zu vermeiden, dass andere Variablen das Urteil der Befragten beeinflussten. Nachdem die Teilnehmer die Bilder 3 Sekunden lang betrachtet hatten, schätzten sie die Männer in Maßanzügen als zuverlässiger, selbstbewusster und einkommensstärker ein als die Probanden, die das im Einzelhandel gekaufte Äquivalent trugen.
(1) Rob M.A. Nelissen, R. M. A. & Meijers, M. H. C. (2010). Social benefits of luxury brands as costly signals of wealth and status. Evolution and Human Behaviour.
(2) Howlett, N., Pine, K. L., Orakçıoğlu, I., & Fletcher, B. (2013). The influence of clothing on first impressions: Rapid and positive responses to minor changes in male attire. Journal of Fashion Marketing & Management, 17.
Auch Frauen sind nicht immun gegenüber der Wirkung von Kleidung auf das Urteil anderer, wie eine Umfrage(3) zeigt, die unter 129 weiblichen Testpersonen durchgeführt wurde. Der Gruppe wurde eine Reihe von Fotos von Frauen (mit verpixelten Gesichtern) gezeigt, die eher schlicht gekleidet waren, sich aber in bestimmten Details leicht unterschieden (z. B. die Länge des Rocks oder ein zusätzlicher offener Knopf an der Bluse). Jedes Foto wurde mit einer anderen beruflichen Rolle in Verbindung gebracht. Die Teilnehmerinnen hatten die Aufgabe, die Bilder zu betrachten und jedes einzelne nach bestimmten Kriterien zu bewerten, darunter Intelligenz, Zuverlässigkeit, Verantwortung und Autorität. Als weniger positiv wurden in der Stichprobe die Fotos von Frauen mit leitenden Funktionen und einem etwas provokanteren Kleidungsstil bewertet, während die gleichen Veränderungen an der Kleidung die Bewertung der Frauen mit weniger Führungsaufgaben in keiner Weise beeinflussten. Die letztgenannte Erkenntnis offenbart, dass die berufliche Position bei den Menschen eine Erwartung hinsichtlich des für die betreffende Rolle am besten geeigneten Stils hervorruft und dass eine Abweichung von diesem „Modell“ ihr Urteil negativ beeinflussen kann.
(3) Howlett, N., Pine, K. L., Cahill, J., Orakçıoğlu, I., & Fletcher, B. (2015). Small changes in clothing equal big changes in perception: The interaction between provocativeness and occupational status. (In press) Sex Roles: Journal of Research.
Weniger bekannt ist die Wirkung von Kleidung auf unsere kognitiven Fähigkeiten und auf unser Selbstvertrauen. Zwei sehr interessante Studien zeigen, wie die Kleidung, die wir tragen, zusammen mit den gesellschaftlichen Stereotypen, die für die Kultur, der wir angehören, typisch sind, einen entscheidenden Einfluss auf unser Denken und Verhalten hat.
Die erste Studie(4) zeigte anhand einer Reihe von Experimenten, dass die körperliche Erfahrung des Tragens einer bestimmten Art von Kleidung unser Aufmerksamkeitsniveau verändern kann. Im ersten Test erhöhte das Tragen eines Laborkittels die selektive Aufmerksamkeit der Teilnehmer bei der Durchführung der vorgeschlagenen Aufgaben erheblich. In den anderen beiden Experimenten verbesserte die Verwendung eines als Arztkittel bezeichneten Laborkittels das Aufmerksamkeitsniveau der Teilnehmer. Tatsächlich erzielten letztere bessere Leistungen sowohl im Vergleich zu der Gruppe, die einen als Malerkittel bezeichneten Kittel trug, als auch im Vergleich zu denen, die nur einen an der Wand hängenden Arztkittel betrachten durften. Die Ergebnisse dieser Studie führten zu der Theorie der „Enclothed Cognition“, nach der Kleidung und die Tatsache, sie zu tragen, die psychologischen Prozesse einer Person verändern können.
(4) Adam, H., Galinsky, A. D. (2012). Enclothed cognition. Journal of Experimental Social Psychology, 48(4).
Während des zweiten Experiments(5) wurde eine Gruppe von Studenten gebeten, ein Superman-Shirt zu tragen, um ihre Selbstwahrnehmung und ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu messen. Die Ergebnisse offenbarten, dass sich diejenigen, die das Superhelden-T-Shirt trugen, attraktiver und allgemein besser fühlten als ihre Kommilitonen. Als die Studenten darüber hinaus gefragt wurden, wie viel Gewicht sie heben könnten, gaben sie an, dass sie sich stärker fühlten als die anderen. Das gesteigerte Vertrauen in ihr eigenes Leistungsvermögen schien sich auch positiv auf die kognitiven Fähigkeiten dieser Gruppe auszuwirken: bei verschiedenen Tests schnitten die Probanden mit dem Superhelden-Shirt im Durchschnitt besser ab als die anderen.
(5) Pine, K. (2014). Mind What You Wear: The Psychology of Fashion.
Nach Ansicht der Forscherin lassen sich die Ergebnisse auf einen „Priming“-Effekt zurückführen: die Exposition gegenüber einem Stimulus (in diesem Fall das Superman-T-Shirt) und die ihm zugeschriebene symbolische Bedeutung beeinflussten die Reaktion auf nachfolgende Stimuli.
Die Ergebnisse dieser interessanten Studien veranlassen uns, über die Bedeutung von Kleidung aus gesellschaftlicher und psychologischer Sicht nachzudenken und darüber, wie unsere alltäglichen Erfahrungen verändert werden können durch die Kleidung, die wir wählen. Wenn Kleidung nicht nur unsere Stimmung, sondern auch unser Selbstwertgefühl und unsere kognitiven Fähigkeiten beeinflussen kann, warum sollten wir dann nicht die Kleidung, die in unserem Kleiderschrank landet, sorgfältiger auswählen?
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